Spitzenfleck
Libellula fulva
Erstnachweis:
Nachweise im Atlas:
Anhang II :
Anhang IV:
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Startjahr
Endjahr
Verbreitung und Bestandssituation
Libellula fulva gilt als pontomediterranes Faunenelement und ist in Mitteleuropa zumeist lokal verbreitet. Südlich reicht das Areal bis nach Süditalien und die Türkei, im Norden erreicht die Art das südliche Skandinavien und den Südwesten Englands (Dijkstra & Lewington 2006). Ihren Verbreitungsschwerpunkt hat die Art in Deutschland im Oberrheintal, dem Alpenvorland und den Jungmöränenlandschaften im Nordosten (z.B. Schorr 1990; Sternberg & Buchwald 2000; Mauersberger et al 2013). In den übrigen Regionen ist die Art zumeist zerstreut verbreitet.
In Nordrhein-Westfalen gehört L. fulva zu den seltenen Arten. Bereits Le Roi (1915) bezeichnete sie für das Rheinland als „ziemlich sporadisch, aber mitunter häufig“. Jödicke (1989) bestätigt dies und stellt fest, dass Verbreitung und Häufigkeit der Art seit Beginn des letzten Jahrhunderts fast unverändert geblieben sind. Er schließt auf stabile Populationen am linken Niederrhein und vermutet eine hohe Toleranz der Larven gegenüber hypertrophen Verhältnissen, da sich die Fortpflanzungsgewässer in ihrer Wasserqualität erheblich verschlechtert haben und seitdem überall deutlich nährstoffreicher geworden sind (Jödicke 1989; Ochse 2012).
Innerhalb Nordrhein-Westfalens ist das Niederrheinische Tiefland insbesondere westlich des Rheins als Verbreitungsschwerpunkt zu sehen, wo die Art stellenweise häufig anzutreffen ist. Eine Besiedlung dieses Naturraumes ist schon seit Beginn des letzten Jahrhunderts dokumentiert (Le Roi 1907; Remkes 1909; Schmidt 1926; Greven 1970; Jödicke 1989; Jödicke & Santens 1992). Neben diesem Verbreitungsschwerpunkt, der namentlich mit dem NSG Niepkuhlen bei Krefeld [4605/1], dem NSG Fleuthkuhlen bei Issum [4404/3] (Ochse 2012), dem NSG Krickenbecker Seen [4603/2] (Niechoj 2005) und dem Bereich um Kleve zu nennen ist, gibt es seit Ende der 1980er Jahre Bodenständigkeitsnachweise auch aus dem Niederrheinischen Tiefland östlich des Rheins (Borcherding 1997). Aktuell konnte die Art erstmalig auch in der Niederrheinischen Bucht in der Braunkohlefolgelandschaft der Ville nachgewiesen werden [5107/3] (Axer 2008; Olthoff et al. 2011).
Aus Westfalen existieren lediglich drei Fundmeldungen. Anfang des letzten 19ten Jahrhunderts konnte ein Weibchen der Art bei Bielefeld gesichtet werden (Kriege 1914), während 1972 eine Sichtbeobachtung bei Bad Lippspringe gelang (Dickehuth & Dickehuth 1975). Seit Ende der 1990er Jahre ist ein bodenständiges Vorkommen aus der Mülheimer Ruhraue (Kocks Loch) bekannt [4607/1] (Schmidt 1998a).
Da L. fulva auf das Tiefland beschränkt ist, liegen die Nachweise in Nordrhein-Westfalen fast ausschließlich unterhalb 100 m ü.NN, lediglich Einzelnachweise gelangen bis maximal 150 m ü.NN (NSG Schlaenger Moor in der Senne [4118/4], Dickehuth & Dickehuth 1975).
Lebensräume in Nordrhein-Westfalen
Libellula fulva besiedelt als typische Auenart in Nordrhein-Westfalen recht unterschiedliche Biotope, wobei leicht durchströmte Altarme und reifere, nährstoffreichere Gewässer bevorzugt werden. Entscheidend für die Art ist eine gut entwickelte Ufervegetation mit besonnten Röhrichten oder Großseggenbeständen. Nach Schorr (1990) könnten derartige linear ausgeprägte Vegetationsbestände vor stillen oder langsam fließenden Gewässern für die Habitatselektion der Art verantwortlich sein. Die Imagines halten sich überwiegend in den zum Wasser gewandten Röhrichtbereichen auf. Besiedelte Gewässer sind zumeist im Wald gelegen oder zumindest von einzelnen Gebüschen bestanden. Sie sind oftmals durch das Vorhandensein einer organischen Schlammschicht gekennzeichnet und weisen nicht selten eine Schwimmblattzone auf (vgl. Jödicke 1989).
Die bekannten Fortpflanzungsgewässer von L. fulva befinden sich in Nordrhein-Westfalen fast ausschließlich in den Auen größerer Flüsse und liegen dort häufig auf Niedermoor-Standorten (z. B. NSG Fleuthkuhlen, [4404/3] Kap. xxx). Einen neu besiedelten Lebensraum stellen die Braunkohle-Tagebauseen der Ville dar (vgl. Kap. xxx). So können mittlerweile an vielen Ville-Seen mit ihren zumeist schmalen Schilfsäumen teils individuenreiche Bestände der Art beobachtet werden.
Libellula fulva besiedelt in Nordrhein-Westfalen oftmals die gleichen Lebensräume wie Aeshna grandis (Braune Mosaikjungfer), Brachytron pratense (Früher Schilfjäger), Cordulia aenea (Falkenlibelle), Coenagrion pulchellum (Fledermaus-Azurjungfer) und Erythromma najas (Großes Granatauge).
Phänologie in Nordrhein-Westfalen
Die Flugzeit von Libellula fulva erstreckt sich in Nordrhein-Westfalen von Ende April bis Juli, Einzelbeobachtungen gelangen bis in den September. Die Hauptflugzeit liegt zwischen Anfang Mai und Mitte Juni liegt. Die früheste Flugbeobachtung gelang am 26.04.(2007), die späteste am 28.09.(2008).
Im Jahr 1991 wurde die Art im NSG Fleuthkuhlen kontinuierlich bis zum 29. August beobachtet, wobei am 15. August noch ein sehr junges Männchen und am 12. August eine Paarung mit anschließender Eiablage beobachtet werden konnte (Jödicke & Santens 1992). Die Autoren geben als Dauer der Larvalentwicklung für L. fulva in der Regel zwei Jahre an und interpretieren die späten Funde als Folge einer verkürzten Larvalentwicklung. Sie vermuten gelegentliche einjährige Entwicklungszyklen, möglicherweise bedingt durch den infolge mehrjähriger Niederschlagsdefizite niedrigen Wasserstand im Gebiet.
Gefährdung und Schutz
Libellula fulva gilt in Deutschland als „ungefährdet“ (Ott et al. 2015) und wird in Nordrhein-Westfalen als „stark gefährdet“ eingestuft (Conze & Grönhagen 2011).
Die von L. fulva besiedelten Gewässer sind durch Grundwasserabsenkung in der Aue sowie generell durch Gewässerausbau, Wasserverschmutzung, erhöhten Nährstoffeintrag und erhöhten Fischbesatz gefährdet. In zahlreichen Lebensräumen hat sich die Bisamratte (Ondatra zibethica) ausgebreitet und die lebensraumtypischen Röhrichte teilweise vollständig zerstört. Zum Schutz der Art bietet sich die Renaturierung der Flussläufe an, da durch eine natürliche Auendynamik ein zu schnelles Verlanden der Altwässer unterbunden wird und neue Gewässer entstehen können. Um bestehende Fortpflanzungsgewässer sollte ein Pufferstreifen eingerichtet werden, der den Nährstoffeintrag aus der Landwirtschaft reduziert. Ebenfalls wichtig ist der Schutz der Röhrichte, die neben dem Bisam auch durch Angler und andere Freizeitaktivitäten geschädigt werden können. Die Neubesiedlung der Braunkohletagebauseen in der Ville zeigt, dass sich auch größere Abgrabungsgewässer bei sachgerechter Anlage (flache Uferzonen, Einbettung der Seen in einer Waldlandschaft) mit der Zeit zu geeigneten Lebensräumen für die Art entwickeln können.