Plattbauch
Libellula depressa
Erstnachweis:
Nachweise im Atlas:
Anhang II :
Anhang IV:
Kartenansicht
Startjahr
Endjahr
Verbreitung und Bestandssituation
Libellula depressa ist ein pontomediterranes Faunenelement und in fast ganz Europa verbreitet. Die Art fehlt nur in Irland, dem nördlichen Großbritannien, Skandinavien und Russland sowie auf wenigen Mittelmeerinseln (Dijkstra & Lewington 2006). In allen benachbarten Staaten und Ländern ist die Art weit verbreitet und nirgends selten.
L. depressa ist in ganz Nordrhein-Westfalen anzutreffen und zählt zu den sehr häufigen Arten. Die Art fehlt in keinem Naturraum und ist in allen Höhenstufen anzutreffen. In Nordrhein-Westfalen erreicht L. depressa keine Höhenverbreitungsgrenze, was auch die zahlreichen Nachweise aus dem Rothaargebirge belegen (Belz & Fuhrmann 2000). Der höchste Bodenständigkeitsnachweis liegt dort bei 800 m ü.NN. Bei den größeren Lücken in der Verbreitungskarte dürfte es sich in den allermeisten Fällen um Beobachtungslücken handeln. Allenfalls in Moorgebieten scheint die Art weitgehend zu fehlen (z.B. Greven 1970).
Der weitaus größte Teil der Nachweise betrifft Beobachtungen einzelner Imagines, Bodenständigkeitsnachweise liegen für weniger als 10% der Funde vor. Nur selten werden mehr als 30 Tiere registriert.
L. depressa war von jeher weit verbreitet und wurde z.B. für die Westfälische Bucht als „überall“ (Gries & Oonk 1975) und fürs Rheinland als „weit verbreitet“ beschrieben (le Roi 1915a; Kikillus & Weitzel 1981). Letztgenannte nehmen sogar an, dass L. depressa durch anthropogene und neu geschaffene Gewässer zugenommen hat. Dies belegen Jödicke et al. (1983, 1989) für das südwestliche Niederrheinische Tiefland.
Auch in Westfalen profitierte die Art von der Gewässerneulage. Insbesondere die innerhalb der letzten drei Jahrzehnte angelegten Naturschutzgewässer haben den Verlust von Kleingewässern in der Normallandschaft (vgl. Pardey et al. 2005) zumindest teilweise ausgleichen können. Landesweit wurden mehr als 1.000 Feuchtwiesenblänken und Laubfroschgewässer angelegt (vgl. Michels 1997; Geiger et al. 2000), von denen unter anderem die Libellenfauna stark profitiert hat (vgl. Schmidt 2005).
Lebensräume in Nordrhein-Westfalen
Da die Art besonders häufig in neu angelegten oder entstandenen Gewässern mit wenig Vegetation auftritt, verschwindet L. depressa mit zunehmender Sukzession oft nach wenigen Jahren wieder, kann aber, sollten wieder geeignete Stellen zur Eiablage vorhanden sein, ebenso schnell wieder auftreten. Hohmann (2001) untersuchte ein Gewässer im Kernmünsterland, das im Herbst 1986 anlegt wurde, und fand L. depressa im zweiten Jahr bereits bodenständig. Nach nur neun Jahren verschwand die Art dann wieder.
Die Häufigkeit von Libellula depressa lässt erahnen, dass prinzipiell ein breites Spektrum an Gewässern besiedelt wird. Die Art kann an stehenden Kleingewässern wie Kleinweiher, Tümpel, Lachen, Bachstaue sowie als Sonderformen Heide- und Moorgewässer, Altarme, Regenrückhaltebecken, die meisten Abgrabungsgewässer, Weiher und Seen (auch Baggerseen und Stauseen) häufig beobachtet werden. Aber auch an Bächen, Gräben und Flüssen sowie Kanälen wird L. depressa nicht selten nachgewiesen. Verschiedene Autoren erwähnen eine Präferenz der Art für kleinere Lehmtümpel (Greven 1970; Dickehuth & Dickehuth 1975; Steinborn 1980). Kikillus & Weitzel (1981), Belz (1987), Hübner (1988), Jödicke et al. (1989), Schlüpmann (1989, 2000, 2003), Bußmann (2000), Kordges (2000), Belz & Fuhrmann (2000) und andere Autoren betonen auch, dass besonders gerne neu angelegte Teiche besiedelt werden. So tritt die Art regelmäßig unmittelbar nach der Anlage von Gartenteichen an diesen auf und reproduziert in ihnen eine Zeit lang. Hemmer (1987) beobachtete die meisten Exemplare über einer stark besonnten Schlammbank eines Weihers.
Zwar sind die meisten Gewässer ohne (aktuelle) Nutzung, doch wurde L. depressa nicht selten an Gewässern beobachtet, die auch dem Angelsport, dem Wassersport, der Fischzucht oder der Jagd dienen. Eingehendere Analysen der besiedelten Habitate legt Schlüpmann (1989, 2003) für den Raum Hagen vor. Offene, gut besonnte Gewässer in Grünland, auf Brachen und in ruderalen Habitatkomplexen sind stark frequentiert. Auch Gewässer auf Viehweiden (Tränken) werden nicht selten besiedelt. Eher gemieden werden kühlere, von Quellen und Bächen gespeiste Staugewässer und Teiche. Langsam fließende Gewässer (Gräben) werden dagegen durchaus besiedelt. Die Untersuchungen zeigen zugleich den Pioniercharakter vieler Fortpflanzungsgewässer von L. depressa. Einige Autoren (Steinborn 1980; Schlüpmann 1989, 2000) erwähnen ausdrücklich die geringe Größe vieler Fortpflanzungsgewässer, doch zeigt schon das oben aufgeführte Spektrum, dass die Art auch größere Gewässer aufsucht. Die mehrjährigen Larven sind in der Lage Austrocknung zu überdauern, was durch die Besiedlung nicht weniger zumindest jahrweise austrocknender/temporärer Gewässer beziehungsweise temporärer Gewässerufer deutlich wird (vgl. Schlüpmann 1989, 2003; Kordges 2000). Mehr als andere Arten reproduziert L. depressa auch in sehr vegetationsarmen Gewässern (Hübner 1988; Jödicke et al. 1989; Kronshage 1994). Anderseits steigt die Stetigkeit mit der Anzahl der Vegetationsstrukturelemente (Schlüpmann 2003). Carex spp. (Binsen), Eleocharis spp. (Sumpfbinsen), Equisetum spp. (Schachtelhalme), verschiedene Kräuter und Stauden, aber auch typische Röhrichtpflanzen, die den Imagines als Ansichtswarten, Ruheplätze und den Larven bei der Emergenz dienen sind fast stets – wenn auch nicht mit großer Deckung – vorhanden, wobei eindeutige Präferenzen nicht auszumachen sind. Auch Algenwatten und Tauchblattpflanzen, die den Eiern und jungen Larven Deckung bieten, sind – anders als Schwimmblattpflanzen und Wassersternbestände – nicht selten. Aus vielen der in Pionierphasen besiedelten Gewässer verschwindet die Art nach einigen Jahren wieder, wenn diese eine höhere Deckung der emersen und der Ufervegetation aufweisen.
In der ursprünglichen Landschaft besiedelte die Art vermutlich vor allem Pioniergewässer in den Flusslandschaften. Hier dürften neben Tümpeln und Lachen, die regelmäßig durch Hochwässer ausgeräumt wurden, Biberweiher und -seen Primärhabitate für die Art darstellen. Daneben spielte die Besiedlung von vegetationsarmen Gewässern, die unter dem Einfluss von größeren Pflanzenfressern (Megaherbivoren) stehen, vermutlich eine große Rolle. Auch Untersuchungen in extensiv beweideten Flussauen zeigen, dass die Art von einer nicht zu intensiven Beweidung profitiert (Lohr 2010).
Phänologie in Nordrhein-Westfalen
Libellula depressa gehört zu den frühen Arten. Bereits Ende April können in frühen Jahren die ersten Exuvien beobachtet werden. Die Emergenz findet hauptsächlich Mitte Mai statt, aber auch im Juni und Anfang Juli sind noch Exuvien und schlüpfende Tiere zu beobachten. Die Imagines sind von Anfang Mai an zu beobachten. Die ersten Imagines wurden am 20.04.(2007) beobachtet. Die Hauptflugzeit liegt zwischen Ende Mai und Ende Juni, ab Ende Juli sind zumeist nur noch Einzeltiere zu beobachten. Der späteste Nachweis gelang am 16.09.(1999).
Gefährdung und Schutz
Libellula depressa gilt in Deutschland als „ungefährdet“ (Ott el al 2015) und wird in Nordrhein-Westfalen auf der „Vorwarnliste“ geführt (Conze & Grönhagen 2011).
Die Art steht stellvertretend für viele Pionierarten und offene, vegetationsarme Uferpartien sind unabdingbar für ihre erfolgreiche Reproduktion. Primäre Standorte, etwa in Flussauen, stehen jedoch kaum noch zur Verfügung. Solange aber stehende Kleingewässer (auch naturnahe Gartenteiche) neu angelegt werden oder sie unbeabsichtigt neu entstehen – etwa in Abgrabungen, auf Truppenübungsplätzen oder auf Industriebrachen – hat die Art keine Probleme in unserer Kultur- und Industrielandschaft zu überleben. L. depressa ist aber auf Dynamik angewiesen. Wachsen die Gewässer zu, fehlt die Art bereits nach wenigen Jahren. Möglicherweise hat die verstärkte Eutrophierung unserer Landschaft in dieser Hinsicht einen negativen Einfluss – bewirkt sie doch ein rascheres Zuwachsen der Gewässer. Da aber Uferanrisse, wie sie auch bei Beweidung mit Rindern und Pferden entstehen, oftmals ausreichen, ist es wichtig, dass die Ufer oder Uferpartien einiger stehender Gewässer in den Weidelandschaften für die Weidetiere zugänglich bleiben (Schlüpmann 2001, 2003). Der verstärkte Einsatz von Großtieren in der Landschaftspflege dürfte in jedem Fall auch L. depressa zugute kommen. Die Art hat in den Städten durchaus von den vielen Gartenteichen, die in den letzten 20-30 Jahren angelegt wurden, profitiert. Selten bleibt sie hier aber auf Dauer. Wer die Art an seinem Gartenteich erhalten will und nicht nur als gelegentlichen Gast begrüßen möchte, benötigt flache Ufer, die gelegentlich kräftig entkrautet werden. Davon profitieren auch viele andere Arten.