Große Moosjungfer
Leucorrhinia pectoralis
Erstnachweis:
Nachweise im Atlas:
Anhang II :
Anhang IV:
Kartenansicht
Startjahr
Endjahr
Verbreitung und Bestandssituation
Leucorrhinia pectoralis zählt zu den eurosibirischen Arten und ist in Mittel- und Osteuropa weit verbreitet, aber fast überall selten. Die Häufigkeit nimmt - möglicherweise auf Grund zunehmend atlantischen Klimas - von Ost nach West ab. Das Verbreitungszentrum der Art in der Europäischen Union liegt in Polen und Deutschland (vgl. Mauersberger 2003b; Bernard et al. 2009). Der Kern der Verbreitung in Deutschland liegt im Tiefland von Mecklenburg-Vorpommern/Brandenburg bis Niedersachsen (Mauersberger 2003b). Während die Vorkommen in Niedersachsen mitunter unstet sind und oft nur geringe Populationsstärken aufweisen (Altmüller & Clausnitzer 2010), ist die Art in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern weiter verbreitet und mit höheren Populationsdichten anzutreffen (vgl. Mauersberger 2003b). Weitere Hauptvorkommen in Deutschland finden sich in Baden-Württemberg und Bayern (Schiel & Buchwald 1998; Sternberg & Buchwald 2000; Kuhn & Burbach 1998). Am westlichen Arealrand (westliches Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen) sind die Vorkommen sehr zerstreut. Bemerkenswert ist ein individuenreiches Vorkommen der Art in den Niederlanden, etwa 50 km von der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen entfernt (NVL 2002; Bouwman et al. 2008). Aus Rheinland-Pfalz, Belgien und Hessen liegen Einzelnachweise der Art vor (Ott 1989; de Knijf et al. 2006; Stübing et al. 2008).
In Nordrhein-Westfalen zählt L. pectoralis zu den seltenen Arten. Seit 1990 gibt es aus 40 Gebieten Fundmeldungen der Art, wobei lediglich aus sechs Gebieten Bodenständigkeitsnachweise vorliegen. Die Art wurde innerhalb Westfalens in den NSG’s Heiliges Meer [3611/2+4], Großes Torfmoor Nettelstadt [3618/3], Emsdettener Venn [3810/2], Fürstenkuhle [4008/3] und Venner Moor [4111/1] bodenständig nachgewiesen, im Rheinland konnte sie mehrere Jahre hintereinander mit Exuvienfunden im NSG Krickenbecker Seen [4603/3] dokumentiert werden.
Die meisten Beobachtungen der Art sind Sichtungen von Einzeltieren aus einzelnen Jahren. Lediglich aus wenigen Gebieten wie z. B. den NSG’s Boltenmoor [3912/1], Fürstenkuhle [4008/3], Kipshagener Teiche [4017/4], Großes Venn [4203/5] oder Brinksknapp [4309/1] liegen Beobachtungen aus mehreren Jahren in Folge vor. Nur selten konnten in Nordrhein-Westfalen höhere Individuenzahlen angetroffen werden. So konnten Menke & Olthoff (2009) im Juni 2008 in den NSG’s Heiliges Meer [3611/2+4] und Gagelbruch Borkenberge [4209/2] 21 bzw. 18 Tiere beobachten, wobei es sich um zugeflogene Individuen gehandelt haben könnte.
In 2012 kam es in ganz Westeuropa zu einem Masseneinflug, der zahlreiche neue Beobachtungen und Fundorte brachte (vgl. Ott 2012; Parr 2013) und die Idee entfachte, ob zumindest der größere Teil der Populationen in den atlantischen Regionen auf sporadischen bis regelmäßigen Einflügen basiert bzw. davon abhängig ist. Auch in Nordrhein-Westfalen wurden 2012 ca. 20 neue Standorte gemeldet, die Besiedlung konnte aber in den Folgejahren nur an wenigen Stellen bestätigt werden und klingt wieder ab.
Eine solche spärliche und unregelmäßige Verbreitung spiegelt sich auch in der historischen Literatur wider. Die Art wurde erstmalig von Kolbe (1878a) für die Coerheide bei Münster angegeben und seitdem nur unregelmäßig für Nordrhein-Westfalen erwähnt (z.B. le Roi 1915a; Schmidt 1913, 1915, 1921, 1926; Krabs 1932; Wassink 1933; Gries & Oonk 1975; Belz 1987). Trotz einzelner Beobachtungen ist das nordrhein-westfälische Bergland nicht besiedelt, die Art tritt hier nur sporadisch als Vermehrungsgast oder „Durchzügler“ auf (Belz & Fuhrmann 2000; Schlüpmann 2002).
Lebensräume in Nordrhein-Westfalen
Leucorrhinia pectoralis ist in Nordrhein-Westfalen an unterschiedlichen Gewässern beobachtet worden. An den meisten Fundorten ist nur von einer sporadischen Anwesenheit ohne ständige Besiedlung auszugehen. Bei den über mehrere Jahre besiedelten Gewässern handelt es sich um kleine bis mittelgroße, oft anmoorige oder heideweiherähnliche Gewässer ohne Fischbesatz. Sie weisen eine reiche Submersvegetation, eine zumeist lockere Riedvegetation und eine geringe Beschattung auf. In der Umgebung finden sich meist Wald oder Gehölzbestände. Die Art konnte innerhalb des Ruhrgebietes auch an ungewöhnlichen Biotopstrukturen wie Tümpeln auf Industriebrachen oder Weihern in Bergsenkungsgebieten beobachtet werden (Goertzen 2008b), was ihre Wanderfähigkeit belegt.
Phänologie in Nordrhein-Westfalen
Die von Leucorrhinia pectoralis in Nordrhein-Westfalen festgestellte Flugzeit beginnt meist Anfang Mai, in warmen Frühjahren schlüpft die Art bereits ab Ende April. Die Hauptflugzeit erstreckt sich von Mitte Mai bis Ende Juni. Ab Ende Juli liegen nur noch Einzelbeobachtungen vor. Exuvienfunde stammen aus dem Zeitraum zwischen Ende April und Ende Mai. Die Angaben decken sich weitgehend mit den aus den Niederlanden bekannten Daten (NVL 2002). Der früheste Nachweis der Art gelang am 27.04.(2005), der späteste am 12.08.(1982).
Gefährdung und Schutz
Leucorrhinia pectoralis gilt in Deutschland als „stark gefährdet“ (Ott et al. 2015) und in Nordrhein-Westfalen als „vom Aussterben bedroht“ (Conze & Grönhagen 2011). Die Art ist in den Anhängen II und IV der FFH-Richtlinie aufgeführt und gehört zu den streng geschützten Arten.
Zu ihrem Schutz wurden in Nordrhein-Westfalen im Rahmen der offiziellen FFH-Gebietskulisse des Landes 17 Gebiete gemeldet. Neben den bodenständigen und kontinuierlich besiedelten Vorkommen sind in der Kulisse auch mehrere Gebiete enthalten, in denen es aktuell keine Hinweise (mehr) auf die Art gibt. Als notwendig wird erachtet, in den bekannten “Kerngebieten” zusätzliche Gewässer für L. pectoralis zu optimieren oder neu herzustellen (“Entwicklungspotential”). Ein kontinuierliches und langfristiges Monitoring zur Klärung des Status und der Bestandsentwicklungen ist unabdingbar. Vermutlich ist die Art in Nordrhein-Westfalen arealbedingt selten und liegt auf Grund der geringen Populationsgrößen sowie ihrer mehrjährigen Entwicklung oft unter der Nachweisgrenze – insbesondere in Jahren mit ungünstiger Witterung.
Möglicherweise ist die Art zudem heute bei uns stärker auf Einflüge aus
ihrem Kernareal angewiesen.