Für die Menschen. Für Westfalen-Lippe.

Atlas der Libellen Nordrhein-Westfalens

Arbeitskreis Libellen NRW in Zusammenarbeit mit dem LWL-Museum für Naturkunde

Der Atlas zeigt Ihnen auf Basis von Topographischen Karten das Vorkommen heimischer Libellenarten. Probieren Sie es aus.

Kleine Pechlibelle

Ischnura pumilio

Erstnachweis:
Nachweise im Atlas:
Anhang II :
Anhang IV:
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Startjahr

Endjahr

 

Artfoto
Männchen von I. pumilio (Erftstadt, Rhein-Erft-Kreis, 18.08.2015). Foto: Rodenkirchen, Jochen

Verbreitung und Bestandssituation

Ischnura pumilio zählt mit einem europäischen Verbreitungsschwerpunkt im östlichen Mittelmeerraum zu den pontomediterranen Faunenelementen. In Asien reicht das Verbreitungsareal bis nach Nordchina. In Mittel- und Südeuropa ist die Art weit verbreitet (Dijkstra & Lewington 2006). Aus Skandinavien sind nur vereinzelte Fundpunkte bekannt und auf den britischen Inseln sind Südwestengland und Teile Irlands besiedelt. Bei I. pumilio wird seit einigen Jahren eine Verschiebung der Arealgrenze nach Norden hin diskutiert (Sternberg & Buchwald 1999, Hickling et al. 2005). Wie in den Niederlanden und in Belgien ist die Art auch in Deutschland zerstreut verbreitet und fehlt in kaum einer größeren Region. Allerdings sind die Vorkommen meist sehr klein und oft nur von kurzer Dauer.

Ischnura pumilio gehört in Nordrhein-Westfalen zu den mäßig häufigen Arten und kommt zerstreut über das ganze Land verteilt vor. Bevorzugt wird dabei das Flachland besiedelt, während aus den höheren Lagen Nordrhein-Westfalens lediglich Einzelnachweise bekannt geworden sind. Der höchste bekannte Fundpunkt der Art in Nordrhein-Westfalen liegt in der Eifel im NSG Wollerscheider Venn [5303/4] bei etwa 580 m ü. NN (Schmidt 1982).

Historische Nachweise liegen für I. pumilio vereinzelt vor. So gibt Le Roi (1915) für den Niederrhein nur eine Fundstelle an. Der älteste Fund in Westfalen stammt von Kolbe (1886) aus dem Weißen Venn bei Velen. Bei den meisten Meldungen handelt es sich nur um Einzeltiere (Greven 1970; Gries & Oonk 1975). In Folge des verstärkten Kiesabbaus entlang des Rheintals in den 1970er Jahren wurde eine Vielzahl an zumindest zeitweise der Art zusagenden Lebensräumen geschaffen, was laut Kikillus & Weitzel (1981) zu einer Verbreitung der Art führte.

Ischnura pumilio wird von vielen Autoren als charakteristische Pionierart bezeichnet, die Gewässer als eine der ersten Libellenarten besiedelt (Sternberg & Buchwald 1999). Meist verschwindet die Art nach wenigen Jahren wieder, sobald die Gewässer einer fortschreitenden Sukzession unterliegen. Diese hohe Besiedlungs- und Ausbreitungsdynamik der Art erschwert eine sichere Beurteilung der Gesamtverbreitung. So wurde die Art in einer Kartierung der Stadt Münster in den Jahren 1996-1999 an vier Gewässern in geringer Individuenzahl festgestellt und im Stadtgebiet als selten eingestuft (Artmeyer et al. 2000). Eine genaue Überprüfung der Regenrückhaltebecken der Stadt im Jahr 2001 erbrachte aber sechs neue Fundpunkte, an dreien davon war sie sicher bodenständig (Willigalla et al. 2003).

Lebensräume in Nordrhein-Westfalen

Ischnura pumilio besiedelt hauptsächlich Tümpel, Lachen, Blänken und ähnliche Gewässer mit Pioniercharakter. Sie ist auch in Gräben oder an Regenrückhaltebecken zu finden, welche auf Grund der Ufermahd regelmäßig in Pionierstadien zurückversetzt werden. In der Regel werden kleine bis mittelgroße Gewässer besiedelt. Die meisten Gewässer werden von der Art nur über wenige Jahre genutzt, da sie im Laufe der Sukzession nicht mehr als Fortpflanzungsgewässer für I. pumilio geeignet sind oder aber die Art infolge Konkurrenzdruckes durch andere Arten verdrängt wird. Individuenstarke Populationen finden sich in anthropogen geprägten Biotopen, wie etwa in Steinbruchgewässern oder Entwässerungsgräben der Braunkohletagebaue (Albrecht et al. 2005). Weitere Nachweise individuenreicher Vorkommen stammen von Wiesentümpeln und wechselfeuchtem Grünland. Langjährige Beobachtungen zur Bestandsentwicklung der Art in Nordrhein-Westfalen stammen meist aus Gebieten, die einer kontinuierlichen Nutzung beispielsweise als Truppenübungsplatz oder als Abgrabung unterliegen (Hahn 1996, Belz & Fuhrmann 2000). Haese (1981) fand Larven der Art in 10 m² großen Pfützen innerhalb des Truppenübungsplatzes Breiniger Berg bei Stolberg [5203/3]. Olthoff & Schmidt (2009) zählen die Art zu den Profiteuren der militärischen Nutzung, da die Art nicht selten an den oftmals temporär wassergefüllten Fahrspurrinnen des Truppenübungsplatzes Borkenberge angetroffen wurden. Bei Betrachtung der vorhandenen Vegetation wird deutlich, dass ein hoher Anteil der von der Art besiedelten Gewässer (mehr als 40 %) lediglich von einer lückigen Pioniervegetation bewachsen oder vegetationslos ist, was den Pioniercharakter von I. pumilio unterstreicht. Hinsichtlich des Gewässerchemismus weist I. pumilio eine sehr hohe Toleranz auf. Rudolph (1979a) schildert, dass sowohl basische (pH 8,1) als auch saure Gewässer (pH 4) besiedelt werden. Die Bevorzugung von Pioniergewässern ist möglicherweise vor allem durch die Konkurrenzschwäche der Art gegenüber anderen Zygopteren zu erklären (Inden-Lohmar 1997).

Die Besiedlung neuer Gewässer fernab der Bruthabitate erfolgt vermutlich durch Windverbreitung (Cham 1993, Sternberg & Buchwald 1999). Für eine aktive Verbreitung werden Strecken von mehreren hundert Metern je Tag angenommen, wobei Fließgewässer eine Rolle als Leitlinien zu spielen scheinen (Reiter 1993, Sternberg & Buchwald 1999).

Phänologie in Nordrhein-Westfalen

Imagines von Ischnura pumilio können in Nordrhein-Westfalen regelmäßig von Mitte Mai bis Mitte September beobachtet werden. Einzeltiere können ausnahmsweise bereits ab Mitte April beziehungsweise noch bis Anfang Oktober auftreten. Die früheste Beobachtung aus Nordrhein-Westfalen stammt vom 16.04.(2007), die späteste vom 03.10.(2007). Nahezu über die gesamte Flugzeit von I. pumilio wurden auch Exuvien gefunden. Die Reifungsphase dauert sechs bis zwölf Tage (Langenbach 1993). Das Phänologiediagramm zeigt sowohl für die Imagines als auch für die Exuvienfunde einen Verlauf mit zwei Spitzen; eine Mitte Mai und eine Ende Juli. Dieser Verlauf lässt sich durch das zumindest jahr- und gebietsweise Auftreten einer zweiten Jahresgeneration ab Ende Juli/Anfang August erklären. Eine bivoltine Entwicklung der Art wurde in Mitteleuropa erstmals 1989 durch Inden-Lohmar (1997) für Nordrhein-Westfalen an einem neu angelegten Kleingewässer südlich von Bonn belegt.

Gefährdung und Schutz

Ischnura pumilio gilt in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen als „gefährdet“ (Ott et al. 2015; Conze & Grönhagen 2011).

Gefördert werden kann die Art durch die regelmäßige Schaffung von Pionierstandorten. So profitiert sie von der Offenhaltung der Gewässer, Entstehung flacher Gewässer in Abgrabungen oder von der Anlage neuer Gewässer. Hierbei ist auf eine Bepflanzung zu verzichten.

Zitiervorschlag

Willigalla C (2024): Kleine Pechlibelle (Ischnura pumilio). In: AG Libellenkunde NRW — Online-Atlas der Libellen Nordrhein-Westfalens. Heruntergeladen von libellenatlas-nrw.lwl.org am 21.11.2024

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