Großes Granatauge
Erythromma najas
Erstnachweis:
Nachweise im Atlas:
Anhang II :
Anhang IV:
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Startjahr
Endjahr
Verbreitung und Bestandssituation
Erythromma najas ist ein eurasiatisches Faunenelement und in Mittel- und Nordeuropa weit verbreitet. Die nördliche Verbreitungsgrenze verläuft durch den Süden der Britischen Inseln und erreicht in Skandinavien den Polarkreis, während der Mittelmeerraum weitgehend unbesiedelt ist. Im Osten erstreckt sich das Vorkommen der Art bis an die sibirische Küste und nach Japan (Askew 2004, Boudot & Kalkmann 2015). Somit ist das Verbreitungsgebiet im Vergleich zur mediterranen Schwesterart Erythromma viridulum (Kleines Granatauge) weiter nördlich gelegen und stärker kontinental geprägt. Die höheren Lagen der Gebirge – wie beispielsweise der Alpen – werden nicht besiedelt. In den Niederlanden und in Belgien ist die Art häufig und fehlt nur in den küstennahen Bereichen (NVL 2002, de Knijf et al. 2006, Bouwman et al. 2008). In Deutschland kommt E. najas schwerpunktmäßig in den Flussauen und Naturräumen mit Seen, größeren Weihern und Teichen vor (Schorr 1990). Die Art ist verbreitet, jedoch nicht unbedingt häufig. Im angrenzenden Niedersachsen ist E. najas im Tiefland regelmäßig anzutreffen und lokal nicht selten (z.B. Ewers 1999).
Innerhalb Nordrhein-Westfalens konzentrieren sich die meisten Vorkommen auf das Niederrheinische Tiefland und die Westfälische Bucht. Landesweit zählt E. najas zu den mäßig häufigen Arten. Verbreitungsschwerpunkte zeigen sich in den Flusstälern von Ems, Weser, Lippe, Ruhr sowie der Niers und ihrer Nebengewässer, auffallend wenige Nachweise liegen aus dem Rheintal vor. In den höheren Lagen von Eifel, Süder- und Weserbergland gelangen nur vereinzelte Funde der Art. Als Ursache hierfür dürften nicht klimatische Bedingungen im Vordergrund stehen, da E. najas andernorts auch ins Bergland vordringt (Kuhn & Burbach 1998, Sternberg & Buchwald 1999). In den Mittelgebirgen von Nordrhein-Westfalen fehlen vielmehr geeignete Gewässer mit Schwimmblattvegetation. Neben Funden aus dem Siegerland (Belz & Fuhrmann 2000) gelang der höchstgelegene Nachweis am unteren Stauteich der Urfttalsperre im NSG Obere Urft in der Eifel auf ca. 540 m ü.NN.
Historische Quellen lassen auf eine ähnliche Verbreitung wie heute schließen. Le Roi (1915) bezeichnete die Art für das Rheinland als „nicht sehr verbreitet“, Kolbe (1886) charakterisierte E. najas als „meist überall nicht selten“ und Gries & Oonk (1975) nannten sie für die Westfälische Bucht als „weit verbreitet und nicht selten“. E. najas fliegt in Nordrhein-Westfalen häufig nur in geringer Dichte, meist werden Vorkommen mit weniger als 100 Individuen angetroffen. An geeigneten Gewässern mit ausgedehnter Schwimmblattzone, wie z.B. den Altwässern am Niederrhein, den rekultivierten Braunkohleseen der Ville oder den Bergsenkungsgewässern im Ruhrgebiet, können auch Bestände mit über tausend Individuen auftreten.
Lebensräume in Nordrhein-Westfalen
Erythromma najas ist in Nordrhein-Westfalen eine Charakterart der Altgewässer, Seen und Weiher mit gut ausgebildeter Schwimmblattvegetation. Des Weiteren besiedelt sie größere Gewässer wie Teiche (auch Fischteiche), Abgrabungsgewässer, alte Kanäle und Regenrückhaltebecken, sofern diese eine dauerhafte Wasserführung und eine entsprechende Schwimmblattvegetation aufweisen. Vorkommen an Fließgewässern existieren lediglich in strömungsarmen Bereichen, in denen sich Schwimmblattdecken halten können. Die besiedelten Habitate sind meist eutroph bis mesotroph und weisen optimalerweise einen breiten Gürtel großblättriger Schwimmblattpflanzen, Uferröhrichte und eine größere offene Wasserfläche auf. Es handelt sich um reifere, vegetationsreiche Gewässer, die im Winter nicht durchfrieren. Als Sitzplatz und Eiablagesubstrat werden gerne Nuphar lutea (Gelbe Teichrose) und Nymphaea alba (Weiße Seerose) genutzt, da sich diese Schwimmblattpflanzen früh entwickeln und so der schon im Mai fliegenden Libelle rechtzeitig zur Verfügung stehen (Grunert 1995). Daneben werden weitere Arten der Schwimmblattzone wie Potamogeton crispus (Krauses Laichkraut), Potamogeton natans (Schwimmendes Laichkraut) und Persicaria amphibia (Wasser-Knöterich) angenommen (Jödicke et al. 1989). Trotz eindeutiger Präferenzen kann die Eiablage in ein breites Spektrum von Pflanzen erfolgen. Dazu werden submerse Stängel, Blatt- oder Blütenstiele genutzt, wobei die Tandems häufig ganz untertauchen und dabei in Tiefen bis zu 80 cm vordringen können (Grunert 1995). Der Schlupf erfolgt auf horizontalen Schwimmblättern oder vertikalen Substraten der Ufervegetation. Während die Männchen häufig auf den Schwimmblättern anzutreffen sind, kommen die Weibchen nur zur Paarung und Eiablage an die Gewässer. Die Imagines halten sich während der Reifezeit meist abseits der Gewässer auf.
Phänologie in Nordrhein-Westfalen
Erythromma najas gehört mit einer Hauptflugzeit im Mai und Juni zu den früh fliegenden Libellenarten. In der Regel beginnt die Schlupfperiode bereits in der ersten Maidekade und kann sich vereinzelt bis Ende Juli, selten bis in den August, erstrecken. Die Hauptschlupfzeit reicht von Mitte Mai bis Mitte Juni. Auch wenn Einzelindividuen bis in den September auftreten, neigt sich die Flugperiode Ende Juli/Anfang August bereits dem Ende zu, wenn E. viridulum in großer Zahl an den Gewässern erscheint. Sternberg & Buchwald (1999) schließen auf eine jahreszeitlich unterschiedliche Einnischung beider Arten. Als frühester Nachweis in Nordrhein-Westfalen gilt eine Beobachtung vom 19.04.(2011), als spätester Nachweis eine Beobachtung vom 27.09.(1999).
Gefährdung und Schutz
Erythromma najas ist in Deutschland „ungefährdet“ (Ott et al. 2015) und wird in Nordrhein-Westfalen auf der „Vorwarnliste“ geführt (Conze & Grönhagen 2011). Die Art reagiert empfindlich auf die Zerstörung der Schwimmblattvegetation. Eine unsachgemäße Gewässerpflege, intensive Freizeit- und Angelnutzung oder auch Tierfraß (Schiel 1998) können die Schwimmblattpflanzen stark beeinträchtigen. Des Weiteren ist die Art durch die Verlandung ihrer Reproduktionsgewässer bedroht. Flussbegradigung, fehlende Überflutungsdynamik, diffuser Nährstoffeintrag und Verschmutzung führen ebenfalls zur Verschlechterung der Fortpflanzungsgewässer. Haben die Gewässer ein gewisses Verlandungsstadium erreicht und sind zunehmend beschattet, werden sie als Lebensraum für E. najas unattraktiv.
Als Schutzmaßnahme ist die Erhaltung ungestörter Gewässerrandzonen mit Röhrichten oder Uferhochstauden, Schwimmblattzonen und offenen Wasserflächen zu nennen. Derartige Bereiche sollten auch an sonst intensiv genutzten Bade-, Angel- und Freizeitgewässern geschützt werden. Bei anstehenden Gewässerunterhaltungen sollte Sub- und Emersvegetation nach Möglichkeit nur partiell entfernt werden. Bei der Rekultivierung von Abgrabungsgewässern kann die Art durch die Anlage von Flachwasserbereichen, in denen sich Schwimmblatt- und Verlandungsgesellschaften entwickeln können, gefördert werden.