Gabel-Azurjungfer
Coenagrion scitulum
Erstnachweis:
Nachweise im Atlas:
Anhang II :
Anhang IV:
Kartenansicht
Startjahr
Endjahr
Verbreitung und Bestandssituation
Coenagrion scitulum ist eine holomediterran verbreitete Art, die derzeit nur sehr lokal und sporadisch im nördlichen Mitteleuropa vorkommt. Aus Deutschland sind bis zum Jahre 2001 nur wenige Einzelfunde bekannt geworden. Seit den 1980er Jahren sind in Europa Ausbreitungstendenzen nach Norden erkennbar. So hat sich C. scitulum in Frankreich zunehmend nördlich ausgebreitet und erreichte im Jahre 1997 erstmals auch Luxemburg, wo die Art bis 2005 in 7 % der Rasterfrequenzen des Landes nachgewiesen wurde (Proess 1997, Proess 2006). Über die Präsenz der Art an etlichen Gewässern in Belgien – vom Süden des Landes bis zur Nordseeküste in Flandern – berichten Vanderhaeghe (1998, 1999) und de Knijf et al. (2006). Im Jahre 2002 gelang im grenznahen Venlo der Erstnachweis für die Niederlande (Goudsmits 2003, Bouwman et al. 2008).
Die historischen Funde in Deutschland beruhen auf fünf Einzelbeobachtungen. Drei davon erfolgten in Baden-Württemberg und wurden von Sternberg & Buchwald (1999) ausführlich diskutiert. Den einzigen älteren Nachweis eines einzelnen Männchens für Nordrhein-Westfalen erbrachte Kiebitz (1962) am 21.5.1961 an den Rietberger Fischteichen [4116/4]. In der gleichen Arbeit wird auch über einen Fund in Niedersachsen bei Wilhelmshaven berichtet. Mehr als 40 Jahre nach dem Erstfund an den Rietberger Fischteichen konnte C. scitulum 2002 wieder in Nordrhein-Westfalen nachgewiesen werden. An einem Fischteich im Nonnenbachtal südlich von Blankenheim/Eifel [5505/4] gelang die Beobachtung zweier Tandems bei der Eiablage (Grebe et al. 2006). Intensive Nachsuche in den folgenden Jahren blieb dort jedoch erfolglos. Im Jahre 2005 wurde die Art etwa 35 km nördlich an zwei Standorten in der Neffelbachaue bei Zülpich [5205/4, 5305/2] beobachtet (Grebe et al. 2006). Neben diesen Fundorten konnte die Art ab 2007 außerdem an einem Altarm des Neffelbachs bei Bessenich [5205/4] beobachtet werden. Die Chancen für eine langfristige Etablierung von C. scitulum im Neffelbachtal erscheinen günstig. Es liegt im Regenschatten der Eifel, einer klimatisch bevorzugten Region mit geringen Niederschlägen, vielen Sonnentagen und relativ milden Wintern, die einer wärmeliebenden Art wie C. scitulum entgegenkommen. In den Jahren 2007 bis 2010 war C. scitulum mit mehreren hundert Tieren die vorherrschende Kleinlibelle an den Teichen am Mühlenbach bei Geich [5205/4]. Seit 2008 wurde die Art auch an zwei neu angelegten Teichen in Erftstadt-Scheuren [5206/3] gesichtet. Neben frisch geschlüpften Tieren konnten dort 2009 schon über 50 Tandems bei der Eiablage beobachtet werden. Eine weitere Beobachtung allerdings ohne Bodenständigkeitsnachweis aus dem Jahr in 2007 stammt aus Kalterherberg bei Monschau [NSG Oberes Rurtal, 5403/3], der mit 510 m ü.NN bislang höchstgelegene Fundpunkt.
Die jüngsten Funde belegen die Ausbreitung der Art für Nordrhein-Westfalen. Neuere Funde gibt es zudem aus den Bundesländern Rheinland-Pfalz, Hessen und Saarland (Glitz 2008, Lingenfelder 2008, Roland 2009). Deshalb sollte gezielt auf die kleine, unauffällige Libellenart geachtet werden, die – vergesellschaftet mit anderen Azurjungfern – leicht übersehen werden kann.
Lebensräume in Nordrhein-Westfalen
Die Gewässer am Mühlenbach bei Geich, die Teiche in Juntersdorf, der Altarm bei Bessenich und die beiden Teiche in Erftstadt sind derzeit die einzigen bekannten bodenständig Vorkommen von Coenagrion scitulum in Nordrhein-Westfalen. Die Art lebt hier vergesellschaftet mit Coenagrion puella (Hufeisen-Azurjungfer), mit der C. scitulum oft bei der gemeinsamen Eiablage anzutreffen ist. Die Eiablagen erfolgten in allen beobachteten Fällen an den über die Wasseroberfläche herausragenden Blütenständen von Myriophyllum spicatum (Ähriges Tausendblatt).
Bei den von C. scitulum in Nordrhein-Westfalen besiedelten Gewässern handelt es sich um vegetationsreiche, besonnte Kleingewässer, von denen im Folgenden die drei am Mühlenbach bei Geich vorgestellt werden. Hierbei handelt es sich um grundwassergespeiste, flachgründige Kleingewässer innerhalb einer Feuchtwiese mit einer dichten submersen Vegetation aus Elodea densa (Dichte Wasserpest), Myriophyllum spicatum und Potamogeton natans (Schwimmendes Laichkraut). Das größte Gewässer wird von einem Schilfgürtel umschlossen, die Ufervegetation der beiden kleineren Teiche besteht aus Beständen von Carex gracilis (Schlanke Segge), Juncus effusus (Flatterbinse), Iris pseudacorus (Gelbe Schwertlilie), Lythrum salicaria (Blutweiderich) und Mentha aquatica (Wasserminze). Die drei Kleingewässer entsprechen somit dem nach Sternberg & Buchwald (1999) für C. scitulum typischen Lebensraum. Sowohl ausgefärbte als auch frisch geschlüpfte Tiere sind nicht nur in der Ufervegetation zu finden, sondern halten sich mehrheitlich in den umgebenden Mähwiesen auf, die sie als Reife- und Jagdhabitat nutzen. Die Funde in mehreren aufeinander folgenden Jahren und die Beobachtungen von Eiablagen an den Gewässern westlich von Juntersdorf, in Geich und am Altarm bei Bessenich zeigen, dass sich die Art dort nicht nur erfolgreich behaupten, sondern auch weiter ausbreiten konnte. Die Beobachtungen in den letzten Jahren gelangen in allen Gebieten an flachen Auengewässsern mit einer gleichartigen bis an die Wasseroberfläche reichenden Unterwasservegetation.
Phänologie in Nordrhein-Westfalen
In Abhängigkeit von den Witterungsbedingungen dürfte sich die Hauptflugzeit auf den Monat Juni erstrecken. In den Jahren 2006 bis 2010 wurden die ersten frisch geschlüpften Tiere jeweils am 11. und 12. Mai beobachtet. Mit einem Erscheinen der Art ist also ab Mitte Mai zu rechnen. Frisch geschlüpfte Individuen wurden bis zum zum Ende der zweiten Junidekade nachgewiesen. Die größte Aktivität und Populationsdichte war in allen Jahren bei sehr warmem Wetter in der ersten Junidekade zu verzeichnen. Die letzten Tiere wurden am 23.07.(2006) beobachtet.
Gefährdung und Schutz
Coenagrion scitulum gilt aktuell in Deutschland als „ungefährdet“, für eine Gefährdungseinschätzung in Nordrhein-Westfalen sind die Daten unzureichend (Ott et al. 2015; Conze & Grönhagen 2011). Eine Gefährdung der Art ist gegenwärtig nicht zu erkennen. Der Erhalt und die Schaffung vegetationsreicher Kleingewässer in Flussauen ist aber unabdingbare Voraussetzung für eine mögliche weitere Ausbreitung und Bestandssicherung dieser südlichen Art.