Vogel-Azurjungfer
Coenagrion ornatum
Erstnachweis:
Nachweise im Atlas:
Anhang II :
Anhang IV:
Kartenansicht
Startjahr
Endjahr
Verbreitung und Bestandssituation
Coenagrion ornatum ist ein pontomediterranes Faunenelement, dessen Verbreitungsgebiet sich von SO-Europa nach Nordwesten hin bis nach Deutschland und Frankreich erstreckt (Dijkstra & Lewington 2006). Aus den angrenzenden Niederlanden und aus Belgien ist die Art bislang nicht bekannt. Bei den deutschen Nachweisen handelt es sich oftmals nur um Streufunde, welche nur wenige Jahre nach ihrer Entdeckung wieder erloschen sind (Sternberg & Buchwald 1999). Die beständigen Verbreitungsschwerpunkte in Deutschland befinden sich im thüringisch-sachsen-anhaltinischen Grenzgebiet (Buttstedt & Zimmermann 1999) und in den ausgedehnten bayerischen Niederungsgebieten im Einzugsbereich der Donau (Kuhn & Burbach 1998). Weitere Einzelfunde liegen aus Baden-Württemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, sowie Sachsen vor (Schorr 1990, Kunz 2002, Clausen 2003, Schmidt et al. 2008).
In Nordrhein-Westfalen gehört C. ornatum zu den extrem seltenen Arten. Den ersten Hinweis auf ein Vorkommen der Art erbrachte Busse (1983), der sie 1980 im nördlichen Teil der Gemeinde Bad Essen (Landkreis Osnabrück, Niedersachsen) nur knapp 2 km südlich der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen fand. Der erste sichere Nachweis der Art auf nordrhein-westfälischem Gebiet gelang im Jahr 1986 im Lever Wald/Mehner Bruch bei Stemwede (Busse & Clausen 1987), ein dauerhaftes Vorkommen wurde dort jedoch erst 1990 entdeckt (Clausen 1990, 1991, 1992). Es ist der nordwestlichste Vorposten von C. ornatum innerhalb des Verbreitungsgebietes der Art (Ketelaar et al. 2000). Seit der Entdeckung des Vorkommens gelangen vermehrt Beobachtungen einzelner Imagines sowie auch Tandems im Einzugsbereich des Großen Diecks und im Bereich der Kleinen Aue (Caspersmeier 2007, Geschke 2008), was vermuten lässt, dass noch nicht alle Vorkommen der Art erfasst sind. Alle Fundorte liegen unter 100 m ü.NN. In der älteren Literatur gibt bereits Kolbe (1878a) für Münster/Westfalen an, dass C. ornatum „Ende Mai bis Ende Juni, überall, aber weniger gemein als puella“ sei, doch Rudolph (1989) verweist darauf, dass alle diese alten Angaben auf Fehlbestimmungen beruhen dürften.
Lebensräume in Nordrhein-Westfalen
Coenagrion ornatum besiedelt in Nordrhein-Westfalen ausgebaute Wiesengräben, die in der Regel auffallend schmal (Sohlbreite unter 1 m) und tief eingeschnitten (etwa 1,50 m bis 1,80 m unter Niveau der Umgebung) sind und mit nur geringen Abweichungen in Nord-Süd-Richtung verlaufen. Sie haben trapezförmige, keinesfalls kastenförmige Profile und sind frei von Baumbeständen, werden also nicht beschattet. Im Wesentlichen werden sie aus Grundwasserzuflüssen gespeist. Niederschläge erhöhen den Wasserspiegel nur kurzfristig. An allen von C. ornatum besiedelten Gräben wächst auch Berula erecta (Berle), jedoch kann nicht von einer Bindung an diese Pflanze gesprochen werden. Die Wassertiefe ist nur gering, oft kaum mehr als 10 cm. Die Böschungsvegetation wächst dank der eingetragenen Nährstoffe überaus üppig. C. ornatum toleriert einen Bedeckungsgrad der Wasseroberfläche bis maximal 80 %, aber auch nicht mehr, wenn solche Reststellen nur noch inselartig im Gewässerverlauf zu finden sind. Die Sohle der Gewässer, an denen C. ornatum bevorzugt fliegt, ist vielfach sandig, doch auch solche Stellen mit deutlicher Schlammauflage werden nicht gemieden. Die Imagines entfernen sich nicht sehr weit vom Gewässer und sind häufig in den höheren Gräsern angrenzender Wiesen zu finden.
Phänologie in Nordrhein-Westfalen
Coenagrion ornatum ist in Nordrhein-Westfalen von Mai bis Anfang August zu beobachten, wobei die Hauptflugzeit nur kurz ist und von Ende Mai bis Anfang Juli reicht. Die früheste Beobachtung stammt vom 09.05.(2008), die späteste vom 03.08.(1991). Es liegen nur sehr wenige Exuviennachweise vor, die Schlupfzeit dürfte zumeist nach Mitte Mai, ausnahmsweise auch etwas früher, beginnen und Mitte Juni weitgehend abgeschlossen sein.
Gefährdung und Schutz
Coenagrion ornatum ist in Deutschland und Nordrhein-Westfalen „vom Aussterben bedroht“ (Ott et al. 2015; Conze & Grönhagen 2011). Die Art ist im Anhang II der FFH-Richtlinie aufgeführt und gehört zu den streng geschützten Arten.
Entscheidend für eine gute Entwicklung der Populationen ist der Zustand der Graben- und Böschungsvegetation zur Schlupf- und Paarungszeit. Selbst nur 20 cm hohe Pflanzen reichen in der Schlupfzeit – die etwa Mitte Mai einsetzt – aus. Die Böschungen dürfen sogar nahezu kurzrasig sein, wenn im angrenzenden Umland noch Hochstaudenfluren oder Wiesen vorhanden sind. Kommt es aber zu einem rasanten, oftmals sogar mastigen Vegetationsschub, der bei diesen schmalen Gräben dazu führt, dass die Pflanzen sich über dem Wasser schließen, verschwindet C. ornatum. Es ist bis jetzt unklar, wohin die Imagines abwandern. Möglicherweise sind es dann die Imagines, denen man einzeln oder auch in Tandems selbst an ungeeigneten Grabenabschnitten begegnet. In früheren Jahren begann die Mahd in und an den Gräben regellos, aber oft schon recht zeitig im Juni, so dass immer geeignete Grabenabschnitte für eine erfolgreiche Eiablage zur Verfügung standen. Wegen der für die Unterhaltung der Gräben gekürzten Landesmittel werden nur noch Gräben, die von besonderer Bedeutung für die Wasserführung sind, zweimal gemäht. Die für C. ornatum wichtigen Gräben gehören jedoch nicht dazu, und die Mahd erfolgt daher erst im Spätsommer, manchmal auch erst im Frühherbst. Damit sind die Gräben als Brutgewässer verloren, weil sie schon mit den ersten Junitagen völlig zuwachsen. 2002 wurden einige Grabenabschnitte im Lever Wald und Mehner Bruch am Ende des ersten Maidrittels gemäht. Der Erfolg zeigte sich sehr bald, C. ornatum flog wieder in guter Zahl, und Coenagrion mercuriale (Helm-Azurjungfer) stellte sich erstmals an den Gewässern ein. Auch in den folgenden Jahren – wenn auch nicht in allen – wurden Grabenabschnitte ausgemäht, leider nicht immer zur optimalen Zeit, die vom Vegetationsverlauf des Jahres abhängt und immer wieder neu bestimmt werden muss. Dennoch ließ sich C. ornatum dort überall nachweisen, wenn auch selten mehr als zehn Imagines auf Grabenabschnitten von etwa 200 m Länge. Nach den letzten trockenen Jahren bleibt abzuwarten, ob sich der Bestand von C. ornatum erholen und wie er sich in Zukunft entwickeln wird. Hatte schon der extrem lange und kalte Winter 1995/1996 zu einem Einbruch im Bereich des Mehner Bruches geführt, so ist die Situation nach dem Dürresommer 2006, bei dem fast alle kleinen Gräben über Wochen trocken fielen und deswegen als Fortpflanzungsgewässer ungeeignet waren, sehr bedenklich.