Hauben-Azurjungfer
Coenagrion armatum
Erstnachweis:
Nachweise im Atlas:
Anhang II :
Anhang IV:
Kartenansicht
Startjahr
Endjahr
Verbreitung und Bestandssituation
Coenagrion armatum ist eine nordkontinentale Art, deren Verbreitungsgebiet sich hauptsächlich nördlich des 50. Breitenkreises von Ost-England und Mitteleuropa über Skandinavien und Osteuropa bis nach Sibirien (Kamtschatka) erstreckt (Belyshev 1973, Dijkstra & Lewington 2006; deutsche Funde bei Schmidt 1978, Winkler et al. 2009). Ende des 20. Jahrhunderts verschwand die Art in Nordwest-Europa. Im Jahr 1999 gelang in den Niederlanden der Wiederfund an einem der historischen Fundorte (Heijden 2000). Auch in Deutschland wurde die Art in Schleswig-Holstein ebenfalls überwiegend an den früheren Fundorten vor allem im Norden, also mit gewissem Anschluß an die skandinavischen Fundorte (Salén 1996) aktuell wieder nachgewiesen (Bouwman & Ketelaar 2008; Winkler et al. 2009).
Aus Nordrhein-Westfalen sind insgesamt nur zwei ältere Funde von C. armatum bekannt geworden, die beide aus dem Gebiet des heutigen Kreises Borken nahe der niederländischen Grenze stammen. Bereits im 19. Jahrhundert konnte die Art westlich von Südlohn bei Oeding gefunden werden (Kolbe 1881). Ein weiterer Einzelnachweis, der auch sicher belegt ist, gelang 1959 im NSG Zwillbrocker Venn [3906/3] (Becker 1961) in 90 km Entfernung zum aktuellen Vorkommen in den Niederlanden (Heijden 2000). Beide ehemaligen Fundorte liegen deutlich unter 100 m ü.NN. Auf die Art ist daher im Norden Nordrhein-Westfalens besonders zu achten.
Lebensräume in Nordrhein-Westfalen
Die zwei Einzelfunde von Coenagrion armatum in Nordrhein-Westfalen geben keine Auskunft über die hiesige Habitatpräferenz der Art. Das Zwillbrocker Venn ist ein heute weitgehend abgetorftes Hochmoor mit Regeneration in ehemaligen Torfstichen. Bekannt ist das Moor durch einen Moorsee mit einer großen Lachmöwen- und einer kleinen Flamingo-Kolonie. Im ebenfalls atlantisch geprägten, aber kühleren Schleswig-Holstein wie auch in den Niederlanden im Nationalpark De Weerribben besiedelt C. armatum ausgedehnte Riedrasen mit flachem Wasser, das sich bei Sonnenschein gut erwärmt. Bevorzugt werden Riedrasen aus Seggen wie z.B. Carex rostrata (Schnabel-Segge) oder C. vesicaria (Blasen-Segge), aber auch aus Schmalblättrigem Wollgras (Eriophorum angustifolium) oder Teich-Schachtelhalm (Equisetum fluviatile) oder aus rasig wachsenden Flatterbinsen (Juncus effusus) sowie lichte, niedrige Schilf-Röhrichte (Phragmites australis) mit Breitblättrigem Rohrkolben (Typha latifolia); günstig sind flutende Moosrasen im Ried, eingestreute Schwimmblatt-Pflanzen wie z. B. Potamogeton obtusifolius (Stumpfblättriges Laichkraut), die neben toten, schwimmenden Halmstücken für die Eiablage bevorzugt werden, oder benachbarte Fieberklee-Bestände (Menyanthes trifoliata) (Schmidt 1978; Bouwman & Ketelaar 2008). Dort fliegen die tarnfarben schwarz-grünen Männchen von C. armatum versteckt in den Vegetations-Rasen umher. Dort erfolgen auch die meisten Paarungen und die Eiablagen (vgl. auch Schmidt 1985a). In Norddeutschland und den Niederlanden sind derartige Vegetationsstrukturen am ehesten in nährstoffarmen Moor- und Heideweihern bzw. in älteren Torfstichen gegeben. Eine typische Art ist hier Ceriagrion tenellum (Scharlachlibelle). Dort wäre schon im Mai auf C. armatum in Jahren mit sonnigem Frühjahr und höherem Frühjahrs-Wasserstand zu achten. Die Fotos können helfen, das Suchschema zu optimieren.
Phänologie in Nordrhein-Westfalen
Zur Flugzeit von Coenagrion armatum in Nordrhein-Westfalen ist nur das Funddatum aus dem Zwillbrocker Venn (21.05.1959) bekannt. In den Niederlanden und in Schleswig-Holstein fliegt C. armatum fast ausschließlich von Ende April/Anfang Mai bis in die ersten Juni-Tage, die Art hat also nur eine sehr kurze Flugzeit im Frühjahr, ähnlich wie die syntopen und synchronen C. lunulatum und Leucorrhinia rubicunda.
Gefährdung und Schutz
Coenagrion armatum ist in Deutschland „vom Aussterben bedroht“ (Ott et al. 2015) und in Nordrhein-Westfalen „ausgestorben“ (Conze & Grönhagen 2011). Die Art gehört zu den streng geschützten Arten.
Von C. armatum, die in den Niederlanden als „ausgestorben“ galt (NVL 2002), konnte 1999 ein Vorkommen an einem der historischen Fundorte wiederentdeckt werden (Heijden 2000). Coenagrion armatum ist in Nordrhein-Westfalen nach den bisherigen Daten nur als (Vermehrungs-) Gast an der Grenze des Verbreitungsgebietes anzusehen. Das Vorkommen der Art hängt daher primär von der jeweiligen Frühjahrs-Witterung ab, wird aber durch den Verlust und die Beeinträchtigungen geeigneter Habitate, Riedrasen mit flachem Wasser, eingeschränkt. Schutzmaßnahmen sind daher auf die Bereitstellung dieser spezifischen Habitate zu konzentrieren. Ein Wiederfund von C. armatum im Grenzgebiet zu den Niederlanden erscheint durchaus als möglich.