Gebänderte Prachtlibelle
Calopteryx splendens
Erstnachweis:
Nachweise im Atlas:
Anhang II :
Anhang IV:
Kartenansicht
Startjahr
Endjahr
Verbreitung und Bestandssituation
Calopteryx splendens zählt zu den pontomediterranen Faunenelementen. Die nordrhein-westfälischen Vorkommen liegen innerhalb des geschlossenen Verbreitungsgebietes der Art, welches sich über ganz West-, Mittel- und Osteuropa erstreckt. Die südliche Arealgrenze verläuft entlang der Pyrenäen, umfasst das gesamte Italien und die Balkanregion sowie die Türkei. Im Norden sind der Süden der Skandinavischen Halbinsel und Finnlands besiedelt (Dijkstra & Lewington 2006). In den Niederlanden und Belgien ist C. splendens außerhalb der Küstenregionen weit verbreitet (NVL 2002, de Knijf et al. 2006). Auch in Deutschland gehört sie zu den häufigeren Arten und ist in allen Bundesländern verbreitet.
Calopteryx splendens besiedelt in Nordrhein-Westfalen bevorzugt die wärmer temperierten Bäche und Flüsse der planaren und unteren Lagen der collinen Höhenstufe. Die aktuellen Verbreitungsschwerpunkte stellen das Niederrheinische Tiefland und die Niederrheinische Bucht sowie die Westfälische Bucht und das Westfälische Tiefland dar. Im Hügel- und Bergland sind Schwerpunkte im Weserbergland, im Siegerland, im nördlichen Bergischen Land und in geringerem Ausmaße im Aachener Hügelland und in der Vennfußfläche zu erkennen. In historischen Zeiten war die Art noch häufiger und weiter verbreitet. So bezeichnet Le Roi (1915) C. splendens für das Rheinland als „sehr weit verbreitet und häufig an mehr oder weniger fließenden Gewässern“. Kikillus & Weitzel (1981) fanden „die höchsten Abundanzen im Bereich mittelgroßer Flüsse“, z.B. in der Sieg, betonen jedoch einen sich deutlich abzeichnenden Rückgang. Greven (1970) stuft sie für den Niederrhein gegenüber C. virgo als häufiger und zahlreicher ein. Dort schließen Jödicke et al. (1989) auf einen Rückgang der Art, da sich die meisten der im Schrifttum genannten Fundorte im Rahmen ihrer Untersuchung als nicht mehr besetzt erwiesen. Für den Landesteil Westfalen gibt Kolbe (1886) sie als „generell häufig“ an, wo Gries & Oonk (1975) sie noch „an größeren Fließgewässern“ fanden. In vielen Bereichen von Nordrhein-Westfalen wie beispielsweise im Südwestfälischen Bergland war C. splendens bis in die 1980er Jahre sehr selten geworden und mancherorts auch verschwunden (Belz 1997; Belz & Fuhrmann (1995); Belz & Fuhrmann 2000; Bußmann 2000; Schlüpmann 2000b). Erst seit Mitte bis Ende der 1980er Jahre ist landesweit wieder eine verstärkte Bestandszunahme der Art, einhergehend mit der Wiederbesiedlung zuvor verwaister Gewässer, zu registrieren. Die Bestandszunahme und Wiederbesiedlung vieler Gewässer ist offenbar noch nicht abgeschlossen. Vor allem im Südwestfälischen Bergland existiert eine Reihe von Fließgewässern, an denen die Art erst seit einigen Jahren wieder erschienen (Hagen 1992a+b; Bußmann 2000; Hauck 2000; Kordges 2000; Schlüpmann 2000b) und aktuell immer noch als selten zu bezeichnen ist (Belz 1995; Kronshage 2000).
Nachweislich bodenständig ist C. splendens bis in 390 m ü.NN Höhe (Schaafbachtal [5506/3]), einzelne Imagines konnten aber auch noch in 700 m ü.NN beobachtet werden (Teiche am Rothaarkamm [4916/1]).
Lebensräume in Nordrhein-Westfalen
Calopteryx splendens besiedelt vornehmlich saubere, sauerstoffreiche Fließgewässer vom Typ des langsam fließenden, gut besonnten und daher eher wärmer temperierten Tieflandbaches und -flusses. In den Wasserläufen im Hügelland der Mittelgebirgsschwelle bevorzugt die Art, stärker als Calopteryx virgo (Blauflügel-Prachtlibelle), die Unter- und Mittelläufe etwa von der Äschenregion an abwärts. Das Fehlen von beschattenden Ufergehölzen wirkt sich positiv auf die Besiedlung aus. Vollständig beschattete Waldbäche werden gemieden. Bachläufe und Flüsse im Offenland sind die am häufigsten genannten Lebensraumtypen in Nordrhein-Westfalen. Als ursprüngliche Flussauenart besiedelt C. splendens hier auch Altarme und Altwässer. Daneben liegen auch von anthropogenen Gewässern wie Kanälen und Gräben eine Vielzahl von Beobachtungen vor. An Kies- und Tonabgrabungen sowie an sonstigen stehenden Kleingewässern in der Nähe von Fließgewässern dürfte es sich vornehmlich um zugeflogene Tiere handeln. Lediglich Hagen (1992) gibt einen gesicherten Hinweis auf Bodenständigkeit aus einem Weiher im Ruhrtal an. Die stark besiedelten Fließgewässer weisen flutende Vegetation im Wasserkörper auf. Im Tiefland besteht diese überwiegend aus Sagittaria sagittifolia (Gewöhnliches Pfeilkraut), Sparganium emersum (Aufrechter Igelkolben), Callitriche spp. (Wasserstern-Arten), Potamogeton spp. (Laichkräuter) und Ranunculus fluitans (Flutender Wasserhahnenfuß), während in den Bächen und Flüssen des Hügellandes meist nur Ranunculus penicillatus oder R. fluitans (Pinselblättriger und Flutender Wasserhahnenfuß) zu finden sind. An den Ufern wachsen meist bandartige Hochstaudenfluren und Röhrichte. Die im Wasser flutenden Vegetationsstrukturen dienen den Weibchen als Eiablagesubstrate. Deren untergetauchten Teile stellen den Lebensraum für die Larven dar, ebenso wie die in den Wasserkörper hineinwachsenden, freigespülten Wurzelgeflechte der Uferpflanzen. In geringem Maße toleriert C. splendens auch ausgebaute, beräumte und gemähte Gewässerabschnitte und Ufer.
Phänologie in Nordrhein-Westfalen
Als typische Frühsommerart beginnt die Schlupf- und Flugzeit von C. splendens Anfang Mai. Die früheste Beobachtung von Imagines erfolgte am 26.04.(2008), die späteste am 11.10.(2007). Ein Ausnahmefall liegt für die Beobachtung einiger Imagines vor, die ungewöhnlicherweise bereits im Februar an der Lippe in Hamm-Uentrop angetroffen werden konnten (K.-J. Conze mündl. Mitt.). In diesem Bereich wird angewärmtes Kühlwasser des nahen Kraftwerkes in die Lippe eingeleitet, das wohl zu einem schnelleren Larvenwachstum und einem sehr frühen Schlupf geführt hat.
Gefährdung und Schutz
Calopteryx splendens zählt aktuell in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen zu den „ungefährdeten“ Libellenarten (Ott et al. 2015; Conze & Grönhagen 2011).
Die Hauptgefährdungsursache für C. splendens dürfte in den 1950er bis 1980er Jahren vornehmlich die damalige nahezu landesweit zu verzeichnende Verschmutzung der Fließgewässer gewesen sein. Daneben führten der planmäßige Ausbau und die Begradigung der Flüsse und Bäche im Rahmen der Flurbereinigung, sowie die regelmäßige Gewässerunterhaltung, das Ausbaggern und Schleppen der Sohle und die Mahd der Uferpartien zu den dramatischen Bestandseinbrüchen der Art in Nordrhein-Westfalen. Die (Larval-)Lebensräume der Fließgewässerlibellen waren hierdurch so stark beeinträchtigt, dass sie als Fortpflanzungsgewässer Jahrzehnte lang nicht mehr zur Verfügung standen. Nur in weniger beeinträchtigten Fluss- und Bachabschnitten sowie kleineren Nebenläufen, die den Larven als Refugialräume dienten, konnte die Art offenbar überdauern. Eine solche Überlebensmöglichkeit bestand beispielsweise auch in den Flussläufen, die schon seit alters her zur Trinkwassergewinnung genutzt wurden. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Ruhr, wo die Art zwar auch in starkem Rückgang begriffen, aber niemals gänzlich verschwunden war. Von hier aus konnten dann die Nebenläufe allmählich wiederbesiedelt werden. C. splendens wurde bereits in der ersten Fassung der Roten Liste von Nordrhein-Westfalen (Bauer et al. 1979) in die Kategorie „gefährdet“ eingestuft. Im Rückblick haben die vielfältigen staatlichen Maßnahmen zur Gewässerreinhaltung im Lande offensichtlich zu einer wesentlichen Verbesserung des Gütezustandes und der strukturellen Ausbildung der Fließgewässer geführt. So konnte es in weiten Teilen des Landes bereits zu einer Wiederbesiedlung durch C. splendens kommen. Als Schutzmaßnahmen für die Art greifen nur die Erhaltung und naturschutzfachliche Optimierung der Fließgewässer, verbunden mit den Bemühungen, diese mit ihrer unmittelbaren Umgebung in einen möglichst naturnahen Zustand zu bringen. Diesbezüglich sollten Ausbau-, Begradigungs- und Unterhaltungsmaßnahmen an Gewässern gänzlich eingestellt werden, was sich zugleich positiv auf eine Vielzahl der heimischen Fließwasserorganismen auswirken würde.