Früher Schilfjäger
Brachytron pratense
Erstnachweis:
Nachweise im Atlas:
Anhang II :
Anhang IV:
Kartenansicht
Startjahr
Endjahr
Verbreitung und Bestandssituation
Das Verbreitungsgebiet von Brachytron pratense umfasst weite Teile Europas sowie Westasiens und reicht im Osten bis zum Ural, dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer. Die Art zählt somit zu den pontokaspischen Faunenelementen. Im Norden erreicht B. pratense Großbritannien, Südschweden und Südfinnland, in Südeuropa kommt die Art zumeist lokal und insbesondere im Bergland vor. Während die Art in den Niederlanden weit verbreitet und stellenweise häufig ist (NVL 2002), konzentrieren sich die Funde in Belgien auf das nördliche Flandern. Weiter südlich ist die Art selten (De Knijf et al. 2006). In Deutschland liegen aktuelle Nachweise aus allen Bundesländern vor (Brockhaus et al. 2015). Die Art ist insbesondere im Norddeutschen Tiefland weit verbreitet und gebietsweise häufig, während sie in Süddeutschland eher zu den selteneren Arten zählt und dort weitgehend auf die Flusstäler und das Alpenvorland beschränkt ist. In Niedersachsen liegen zahlreiche Funde in der Norddeutschen Tiefebene, wo B. pratense stellenweise häufig ist. Im südniedersächsischen Hügel- und Bergland wurde sie hingegen deutlich seltener gefunden (Fischer & Heink 1997). In Hessen und Rheinland-Pfalz hat die Art einen Verbreitungsschwerpunkt im Oberrheingraben (Eislöffel et al. 1992, Patrzich & Nitsch 1994). Das Hügel- und Bergland ist auch hier hingegen kaum besiedelt. Neuere Fundmeldungen belegen, dass die Art auch in Nordhessen vorkommt (Gottschalk & Stübing 2003).
In Nordrhein-Westfalen gehört B. pratense zu den mäßig häufigen Arten. Wie in den Nachbarländern hat die Art einen Verbreitungsschwerpunkt in den tieferen Lagen unter 100 m ü.NN. Im Bergland besiedelt die Art nahezu ausschließlich wärmebegünstigte Flusstäler, wobei Bodenständigkeitsnachweise weitgehend fehlen. Der höchste Fundort liegt bei etwa 350 m ü.NN im Kreis Höxter und bezieht sich lediglich auf eine Einzelbeobachtung ohne Fortpflanzungsnachweis. Der Höhenverbreitung entsprechend konzentrieren sich die Vorkommen von B. pratense auf das Niederrheinische Tiefland sowie auf die Niederrheinische und die Westfälische Bucht. Insbesondere entlang des Niederrheins ist die Art weit verbreitet und stellenweise häufig. Im Weserbergland ist sie weitgehend auf das Oberwesertal und im Süderbergland auf das Ruhrtal beschränkt, dringt aber entlang dieser Täler zum Teil weit ins Bergland vor. Während für die Westfälische Bucht und den Niederrhein gebietsweise Bestandsrückgänge der Art festgestellt wurden (Kikillus & Weitzel 1981, Artmeyer et al. 2000), nahmen die Fundmeldungen aus den nördlichen Randbereichen des Bergischen Landes und des Sauerlandes seit Ende der 1980er Jahre zu. Im Jahr 2000 wurde B. pratense erstmals auch im Weserbergland nachgewiesen (Lohr & Mitzka 2001). Seitdem erfolgten hier zahlreiche Bodenständigkeitsnachweise an Flutrinnen- und Abgrabungsgewässern der Oberweserniederung. Eventuell sind diese jüngeren Funde in den unteren Lagen des Süder- und Weserberglandes auf eine höhere Beobachterintensität zurückzuführen, da die Art auf Grund der frühen Flugzeit oft nur durch gezielte Suche im Mai und Anfang Juni nachzuweisen ist und daher leicht übersehen werden kann. Trotzdem deuten die Nachweise auf eine Ausbreitung der Art in den wärmebegünstigten Teilen des Berglandes hin.
Lebensräume in Nordrhein-Westfalen
Brachytron pratense kommt in Nordrhein-Westfalen an stehenden bis schwach durchströmten Gewässern mit einer zumeist dichten Ufervegetation vor. Fließgewässer mit stärkerer Strömung werden weitgehend gemieden. Geeignete Fortpflanzungshabitate finden sich zum einen in seenreichen Gebieten, zum anderen in größeren Flussniederungen, wo beispielsweise Altarme, permanent Wasser führende Flutmulden und Abgrabungsgewässer besiedelt werden. Die Ufer sind fast immer von Ried- oder Röhrichtbeständen bewachsen. Diese bestehen oft aus Phragmites australis (Schilf), dessen Bestände in Seen einen mehrere Meter breiten, sehr unterschiedlich dichten Ufergürtel bilden können. Solche Gewässer werden im Niederrheinischen und im Westfälischen Tiefland besiedelt. Daneben findet sich die Art auch an Gewässern mit Uferröhrichten aus Sparganium erectum (Ästiger Igelkolben), Iris pseudacorus (Gelbe Schwertlilie), Juncus spp. (Binsen) und Typha spp. (Rohrkolben). In den größeren Flussniederungen wie am Niederrhein besiedelt die Art flache, oft langgestreckte Altwässer. Diese sind zumeist eu- bis hypertroph und besitzen daher ausgedehnte Verlandungsröhrichte und Großseggenrieder sowie Schwimmblattbestände (Jödicke 1995). Daneben werden an der Oberweser auch Flutrinnengewässer mit stark schwankenden Wasserständen zur Fortpflanzung genutzt. Hier finden sich ausgedehnte Bestände aus Phalaris arundinacea (Rohrglanzgras) und Glyceria maxima (Wasserschwaden), die zur Flugzeit von B. pratense oft großflächig überflutet sind. Sekundärlebensräume der Art sind unter anderem Abgrabungsgewässer zumeist mittlerer Sukzessionsstadien mit ausgedehnten Flachwasserzonen und einer reich strukturierten Ufer- und Unterwasservegetation, wie sie beispielsweise in der Oberweserniederung besiedelt werden. Im Braunkohlenrevier der Ville südwestlich von Köln werden auch Sekundärgewässer mit lichten Röhrichten in den ehemaligen Tagebauen besiedelt (Schmidt 1989a). Hier konnte die Art auch in den Jahren 2008-2010 an zahlreichen Gewässern bodenständig nachgewiesen werden (Olthoff et al. 2011).
Phänologie in Nordrhein-Westfalen
Schlupf- und Flugzeit der als Frühjahrsart charakterisierten Brachytron pratense sind vergleichsweise kurz. Dabei kann die Phänologie der Art jahr- und gebietsweise variieren und die individuelle Flugzeit an einem Gewässer ist in der Regel wesentlich kürzer, als dies das Phänogramm vermuten lässt. Exuvienfunde liegen zwischen dem 10.04.(2011) und 28.06.(1997) vor. Meist schlüpfen 90 % der Individuen eines Gewässers fast synchron innerhalb weniger Tage in der ersten und zweiten Maidekade. In Jahren mit einer warmen Frühjahrswitterung kann der Schlupf bereits Ende April beginnen. Vereinzelt noch im Juni gefundene Exuvien dürften überwiegend bereits mehrere Wochen alt sein. Schon wenige Tage nach dem Schlupf sind erste Männchen an den Gewässern zu beobachten, was auf eine kurze Reifephase hindeutet. Die Flugzeit beginnt zumeist in der ersten Maidekade und der Höhepunkt wird bereits in der zweiten Maidekade erreicht, spätestens ab Mitte Juni sind Imagines der Art nur noch ausnahmsweise zu beobachten. Der späteste Nachweis der Art gelang nach Jödicke et al. (1989) am 30.07.(1978).
Gefährdung und Schutz
Brachytron pratense gilt in Deutschland als „ungefährdet“ (Ott et al. 2015) und in Nordrhein-Westfalen als „gefährdet“ (Conze & Grönhagen 2011).
Die Bestandsentwicklung von B. pratense verläuft landesweit offensichtlich nicht einheitlich. Während für Teile des Niederrheinischen Tieflandes und der Westfälischen Bucht ein Rückgang der Art vermutet wird, nehmen seit einigen Jahren die Beobachtungen am Rande des Berglandes zu. Dies lässt zumindest teilweise auf eine Ausbreitung der Art möglicherweise infolge einer Temperaturerhöhung im Frühjahr zur Hauptschlupf- und Hauptflugzeit schließen. Trotzdem bedarf die Art eines nachhaltigen Schutzes ihrer Gewässer. Da B. pratense auf eine Schädigung oder Zerstörung der Ufervegetation empfindlich reagiert, sind entsprechende Uferbereiche vor starken Trittschäden und anderen Beeinträchtigungen zu schützen. In den Flusslandschaften sind viele ihrer Fortpflanzungsgewässer von der Hochwasserdynamik abhängig. Eine Revitalisierung dieser Dynamik trägt daher wesentlich zum Schutz auch dieser Art bei. So hat B. pratense wie auch Aeshna affinis (Südliche Mosaikjungfer) von Auenregenerationsmaßnahmen in der Oberweserniederung profitiert (Lohr 2010).